En camouflage

Camouflagejacke: Vintage, Tuch: H&M for Versace, Brille: Rayban

Der Camouflage-Trend musste kommen, das war klar. Die weibliche Modewelt liebt es, sich an fremden Kleiderschränken zu bedienen. Das ist toll, denn so werden neue Modeerscheinungen geboren: Coco Chanel stibitzte einst die Hosen ihres Freundes Etienne Balsan und modernisierte damit die rosagerüschte Damenmode. Yves Saint Laurent erschuf die feminine Version von Smoking und Trenchcoat, und im 21. Jahrhundert gilt es als schick, dem boyfriend Jeans und Jackett abzuluchsen. Spätestens seit Louis Vuittons Winterkollektion 2011/12 wissen wir: auch die Uniform hat Potenzial, die gelackten Schirmmützen fand ich persönlich jedenfalls äußerst exquisit.

Nun ist also der Soldat dran, und an dieser Stelle kann man wieder schreien und sich aufregen, so wie zu Coco Chanels Zeiten die rosagerüschten Madames. Man kann sagen: wie kann das sein, dass sich diese dämlichen Modemädchen in Kampfkleidung hüllen! Legt man denn heute gar keinen Wert mehr auf ethische Korrektheit?

Oberflächlicher betrachtet könnte man kann sich aber auch selbst fragen: wieso finde ich dieses grauenhafte Muster plötzlich schick? Die ausgebildete Modejournalistin Nike van Dinther, Autorin für „Jane Wayne„, schrieb zu diesem Phänomen kürzlich

Modemenschen aller Herren Länder bekennen sich zum Camouflage-Print – und zwar ohne mit der Wimper zu zucken. Irgendwann einmal, da hat ein kluger Dozent uns die Lehre der Geschmacksentfaltung ans Herz gelegt – die Quintessenz all dessen: Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht. Alles eine Sache der Gewöhnung. Je öfter wir visuell mit ein und demselben Trend konfrontiert werden, umso attraktiver wird er demnach für uns. Ist genau diese Theorie jetzt also bei mir selbst anwendbar? Offensichtlich. Denn langsam verdünnisiert sich meine Moral und ich finde großen Gefallen an den Prints, die mein Sehsinn inzwischen wirklich auch nur noch als genau jene übersetzt, statt als Kampfansage. 

Mir geht es ebenso wie der guten Nike, ich habe mir nun also auch eine Camouflage-Jacke zugelegt, das Muster gefällt mir urplötzlich. Die ganze Angelegenheit gestaltete sich als wahrer Spontankauf: ich hatte wirklich keine Lust einzukaufen, spazierte nur rein zufällig an einem Vintageladen vorbei, da hing die Tarnjacke, und ich griff zu.
Erstaunlicherweise werde ich häufig auf dieses Kleidungsstück angesprochen; ob ich denn gerade aus Syrien oder Afghanistan käme, fragt man mich. Ich finde das nicht nett. Camouflage ist Französisch und bedeutet Tarnung, nicht Krieg. Ich laufe ja nicht im Seidenkleid mit Maschinengewehraufdruck herum! Man hat es schwer als Modemädchen: entweder wird man verspottet, weil man sich auffällig kleidet, oder beschimpft, wenn man sich tarnt.

Rock: selbstgenäht, Schuhe: Topshop