Exzellente Berliner Schneiderkunst im VOGUE Salon

Die Kreationen des Duos Augustin Teboul

Das verhältnismäßig größte Drama der diesjährigen Berlin Fashion Week (ja, ich weiß, wir sprechen hier lediglich von luxuriösen first world problems) ereignete sich am frühen Donnerstagabend, kurz nach der Hugo-Boss-Show im Eisstadion. Die frostige Präsentation hatte erst nach über einer halben Stunde Verspätung begonnen, und als die Gäste gegen halb sieben endlich das Gebäude verließen, hätten sie eigentlich schon wieder im Mercedes-Benz-Zelt bei der Michael-Sontag-Schau sitzen sollen. Aber Pustekuchen. Innerhalb kürzester Zeit war die stark frequentierte Müllerstraße bevölkert von hektisch nach Taxis winkenden Herrschaften, schätzungsweise Null freie Taxen waren allerdings unterwegs, ein in Berlin nicht seltenes Phänomen. Um nichts in der Welt aber wollte ich mir die Show des Drapierungs-Genies Sontag entgehen lassen, doch wie es das Schicksal will, traf Christiane Arp, natürlich auch verspätet, vor mir im Zelt ein, und kaum hatte sie in der ersten Reihe Platz genommen, begann die Show. Da steckte ich noch, immerhin in einem Taxi, irgendwo an der Friedrichstraße fest.

Doch welch eine Freude: am nächsten Tag, beim Vogue Salon im feinen Hotel de Rome, lief mir gleich als Erstes der Herr Sontag höchstpersönlich über den Weg – denn natürlich durfte er, einer der mittlerweile renommiertesten Designer Berlins, nicht beim freitäglichen Vogue-Empfang fehlen.
Der Vogue Salon, zu dem Christiane Arp in Person alljährlich während der Fashion Week einlädt, ist eine Plattform für die neun wichtigsten Designer der Modewoche, dort dürfen sie noch einmal die Highlights ihrer Kollektionen im historischen Ballsaal des Hotels ausstellen. Eine wunderbare Möglichkeit auch für die geladenen Gäste, einen etwas detaillierteren Blick auf die Kleider zu werfen, denn so aufregend eine Modenschau sein kann – der Eindruck, den man dort von der Kollektion bekommt, ist doch allzu flüchtig und dadurch oberflächlich.

Nun konnte ich also aber hier in aller Ruhe und noch dazu im lockeren Gespräch mit Michael Sontag selbst die Entwürfe des Designers hautnah bewundern. Noch immer ist es mir ein Rätsel, wie man allein durch spontane Stoffdrapierungen solch fantastische und unnachahmliche Modekunstwerke kreieren kann. Besonders atemberaubend: der voluminöse, dunkelgraue Trenchcoat, der in seiner Raffinesse und Eleganz ebenso aus der Feder eines Yves Saint Laurent oder Raf Simons stammen könnte.

Auch die Kleider des hochgelobten Duos Augustin Teboul erstrahlten im ruhigen Ambiente des Hotel de Rome noch einmal in ganz besonders bezauberndem Licht. Zwar hatte ich bereits am Mittwoch bei der exklusiven Präsentation der Kollektion im Salon Dahlmann die Kreationen der Mademoiselles Annelie und Odély inspizieren dürfen, doch in den dortigen, verhältnismäßig kleinen Räumlichkeiten herrschte ein derartiges Gedränge, dass eine detaillierte Ansicht der Entwürfe sich als denkbar schwierig entpuppte. Umso herrlicher also, dass auch die Couture-Prinzessinnen wieder zum Vogue Salon geladen worden waren. Mit sehnsüchtigem Herzklopfen schlich ich um die schwarz-seidenen und kunstvoll plissierten Kleider mit Perlenstickerei und Häkelspitze herum – was gäbe ich doch dafür, solch eine Robe tragen zu dürfen, die sich durchaus auch bei der Pariser Haute-Couture-Woche hätte sehen lassen können!

Ohnehin kann man den Vogue Salon wahrscheinlich getrost als den Gipfel der exzellenten Berliner Schneiderkunst bezeichnen: beim Umherwandeln zwischen den ausgestellten Kleidern kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Achtland, das Newcomer-Label der Saison, zeigte eisblaue Kleider mit üppigen Blütenstickereien und Perlengeweben in kontrastierenden Rottönen, sowie perfekt geschnittene Kurzjäckchen aus Tweed mit Lederapplikationen. Der wohl künstlerisch ambitionierteste Designer der Stadt, Dawid Tomaszewski, hingegen entzückte mit einem komplex aus weißem Seil geflochtenen Kokon mit eingearbeiteten Kristallsteinen, einem mit unzähligen Perlmuttplättchen besetzten Etuikleid und einer federleichten Robe aus dunkelrot-weiß-gemusterter Seide.

Es ist offensichtlich: Berlin, diese eigentlich so freche und ungestüme Stadt, hat mit genialen Köpfen wie Sontag, Augustin Teboul oder Tomaszewski mittlerweile einige hochbegabte Modekünstler zu bieten, die sich auch vor internationalem Publikum nicht zu schämen brauchen. Und wer hier, im Vogue Salon, ausstellen darf und damit die Gunst von Christiane Arp, der wohl wichtigsten Person des deutschen Modekosmos, für sich gewinnen konnte, der ist nicht nur höchst talentiert und sicherlich in der Lage, eines Tages die Aufmerksamkeit französischer und amerikanischer Modekritiker auf sich zu ziehen, sondern dem gelingt es auch, seine grenzenlose Leidenschaft für Ästhetik und Schönheit in Kleidung zu übersetzen, die die Frauen schlicht und ergreifend besitzen und vor allem tragen wollen. Welch eine rosige Zukunft unserer deutschen Modestadt Berlin doch bevorsteht!

Michael Sontag
Michael Sontag
Achtland
Achtland
Achtland
Blaenk
Blaenk
Blame
Blame
Dawid Tomaszewski
Dawid Tomaszewski