In Zeiten eines nahezu flächendeckenden Emanzipationsbestrebens der Frau ist das Maxikleid aus der Modewelt nicht mehr wegzudenken. Klingt komisch, ist aber so. Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Kleider kürzer, weil Materialmangel herrschte, in den 60er Jahren erfand die britische Designerin Mary Quant den Minirock und revolutionierte damit den bis dato immer noch sehr unbequemen weiblichen Kleidungsstil – heute aber verzichten wir gerne auf die so hart erkämpfte Bewegungsfreiheit und steigen plötzlich wieder in bodenlange, schrecklich unpraktische Kleider wie noch vor hundert Jahren.
Woher dieser Wunsch nach Immobilität? Das Maxikleid ist schließlich nicht für die abendliche Gala mit Champagner und Wiener Walzer gedacht, sondern als stinknormale Garderobe für die Erledigungen und Aktivitäten des Sommeralltags, die da wären: morgens zur Arbeit radeln, oder transpirierend U-Bahn fahren, oder eisschleckend über staubige Straßen flanieren. Schnell von A nach B kommt in einem Maxikleid aber keiner so wirklich, das sportliche Radfahren erübrigt sich angesichts der empfohlenen defensiven Fahrweise, große Schritte sind auch nicht ratsam und hastige Laufeinheiten zur nächsten U-Bahnstation, noch dazu mit einem tropfenden Eis in der Hand, erst recht nicht. Trotzdem: das Maxikleid bleibt eines der beliebtesten Trends der Sommersaison, ob aus Seide, Polyester, Leinen oder Jersey, unifarben, blumig oder grafisch bedruckt, mit Träger, ohne Träger, rückenfrei oder hochgeschlossen. Und Mobilität hin oder her: nichts kleidet einen morgens so geschwind wie ein langes, flatterndes Maxikleid. Es ist schnell übergeworfen, passt hervorragend zu filigranen Sandalen und benötigt meist keine weiteren Accessoires – denn schlicht, einfach und allein ist es meist schon Glanz und Gloria genug.
Möglicherweise hat dieser Aspekt dem Maxikleid zu so viel Ruhm verholfen: kaum ist man hinein geschlüpft, ist der große Auftritt auch im Alltag so gut wie garantiert. Die Sommermonate sind zwar, sofern das Wetter auch tatsächlich mitspielt, eigentlich kein Schauplatz für viel Theater, bei 30°C im Schatten möchte ich zumindest nicht über komplizierte Outfitkombinationen nachdenken, andererseits will man dem goldenen Sonnenschein allmorgendlich natürlich auch angemessen chic entgegen treten. Was passt da besser als eine luftig-lässige Robe?
Was ich an dem Maxikleid außerdem so schätze: es sorgt in der staubig-feuchten, flirrenden Atmosphäre des Sommers für ein wenig Anstand, es ist elegant, stilvoll und auf charmante Art und Weise lax und leger – anders all die Millimeter über den Pobacken endenden Hotpants, Volantröckchen und Tank-Tops, in denen viele Leute in der großen Julihitze hemmungslos sämtliche Körperzonen entblößen, die man eigentlich nicht freiwillig zu Gesicht bekommen möchte.