Die Multifunktionsbluse

Snapshot bei der Stockholm Fashion Week, aufgenommen von Rodeo

In dem Film „Sonnenallee“, der sich auf ironisch-amüsante Art und Weise mit der Jugendkultur der DDR auseinandersetzt, stattet Herr Obermeister Herkefeld der Familie Ehrenreich gleich zu Anfang der Geschichte einen Besuch in ihrem beschaulichen Heim ab, und darf dort zuallererst Bekanntschaft mit dem neuesten Möbelstück des Hausstandes machen, einem sogenannten MuFuTi. Das lässige Kürzel MuFuTi steht, wie eingefleischte „Sonnenallee“-Fans (zu denen ich mich auch zähle) natürlich längst wissen, für Multi-Funktions-Tisch und bezeichnet, wie der Name unschwer verrät, einen Tisch mit multiplen Funktionen: mit einigen gekonnten Handgriffen lässt sich das gute Stück nämlich wahlweise in einen Couch- oder Esstisch verwandeln.
Ich möchte nun keinesfalls behaupten, dass irgendein Modeobjekt es jemals mit der Lässigkeit und Coolness eines solchen DDR-MuFuTis wird aufnehmen können, doch der aktuellste Neuzugang meines Kleiderschranks scheint zumindest halbwegs der multifunktionalen Genialität des Ehrenreichschen Wohnzimmermöbels nahe zu kommen: meine Damen und Herren, ich präsentiere stolz und euphorisch die erste volant-besetzte Multi-Funktions-Bluse, die redefaule Menschen gerne auch als MuFuBlu bezeichnen dürfen, was natürlich rein sprachlich gesehen schon eine wahre Freude ist.


Modisch betrachtet ist mein Entzücken angesichts dieses Zauberstücks von einer Bluse, die sich dank Zippverschluss ruckzuck in ein formidables Jäckchen verwandeln lässt, erst recht schier unermesslich – selten bin ich einem Oberteil von derartiger Raffinesse und gleichzeitigem Spaßfaktor begegnet. Ohnehin gelten Rüschen und Volants in dieser Saison wohl als der allerletzte Schrei, ob als Schößchen in Taillenhöhe, als dezentes Detail, wie wir es bei Bottega Veneta bewundern durften, oder als nahezu wahnsinniger Overkill wie bei Alexander McQueen. Hinzu kommt nun jedoch, dass Volants heutzutage nicht mehr bloß mädchenhaft verspielt (und damit latent lächerlich) daherkommen, sondern zum Beispiel asymmetrisch gestuft, aus maskulinem Leder, oder eben, wie bei meinem neuen feinen Lieblingsstück, als flatterndes i-Tüpfelchen an der sonst recht sportlich gehaltenen Zipp-MuFuBlu mit Gummibündchen und Dreiviertel-Ärmeln.

Erworben habe ich diesen Glücksfund wieder einmal in der Hamburger Boutique DeanDorle, meiner derzeit besten Empfehlung für eine Einkaufstour der besonderen Art hier in der Hansestadt – denn nicht nur das Interieur des Shops, dessen Besitzerin einst als Grafikdesignerin tätig war, überzeugt mit originellen Details wie etwa dem von Hand gezimmerten Verkaufstresen aus aufeinander geschichteten Holzscheiten, sondern auch das vielseitige Angebot an aufstrebenden und etablierten Labels. Wer nicht hingeht, hat selbst schuld, ich jedenfalls könnte mir ein Leben ohne meine heißgeliebte MuFuBlu kaum noch vorstellen. Auch wenn das gute Stück natürlich, wie gesagt, keinesfalls an den erstklassigen MuFuTi der Familie Ehrenreich herankommt.

MuFuBlu von Rules by Mary, Hose: H&M, Stiefeletten: Office, Kette: selbstgemacht