Musikrubrik #28: Zum Einschlafen

SCHÖNE TÖNE ZUM BUSFAHREN UND ZU ANDEREN ENTSPANNTEN AKTIVITÄTEN

Von meinem Lieblingsmenschen Mirabelle habe ich ja schon viel berichtet, aber tatsächlich gibt es da immer noch so viele Geschichten, die erzählt werden wollen. Zum Beispiel diese hier:

Eines schönen Sommers fuhren Mirabelle und ich mit wenig Kleidern, viel Wodka Gorbatschow und der allgemeinen Hochschulreife im Gepäck nach Osteuropa. Auf dieser Expedition erlebten wir viel Aufregendes und manchmal Skurriles. Für die achtstündige Fahrt zwischen Budapest und Krakau hatten wir alten Kulturstreber anstelle der bequemen Zugreise eine Busfahrt gebucht, „damit wir mehr von der schönen polnischen Landschaft sehen“, sagte Mirabelle. Natürlich befanden sich unsere reservierten Sitzplätze dort, wo im Bus prinzipiell die coolen Leute sitzen – nämlich ganz hinten. Hier waren die Fensterscheiben mit ungarischen Schriftzügen beklebt, sodass wir von der schönen polnischen Landschaft keinen Zentimeter zu sehen bekamen. Stattdessen genossen wir die Aussicht auf drei fettleibige Ungarinnen, die sich in letzter Minute laut schnatternd neben uns auf die Rückbank gequetscht hatten und sich die nächsten acht Stunden mit dem Verzehr stark riechender Dosenfleischpasteten, viel Weingummi und traditionellen Gesellschaftsspielen vertreiben würden.

Nach der Ankunft in Krakau beschlossen wir, nie wieder Bus zu fahren.

Aus Finanzgründen taten wir es dann aber doch. Zu verlockend preiswert waren schließlich die Nachtbus-Tickets für die zwölfstündige Rückreise von Danzig nach Hamburg. Wie erwartet wurde es schrecklich. Der blöde Bus musste an jeder polnischen Gießkanne halten, um auch ja jeden einzelnen Bauern mit nach Hamburg zu nehmen. Weil Schlafen sowieso unmöglich war, schaltete ich meinen iPod ein und hörte in voller Lautstärke den A-Trak Remix von „Heads Will Roll“ der fabelhaften Yeah Yeah Yeahs. Ich hoffte, die Lage würde dadurch erträglicher werden.

„Du spinnst wohl“, sagte Mirabelle, die unfreiwilligerweise mithören musste. „Dazu kann man doch nie einschlafen.“ – „Doch, ist ein sehr eintöniger Beat“, sagte ich trotzig, aber natürlich hatte sie recht.

Der Punkt ist, und damit kommen wir zum eigentlichen Thema dieses Beitrags, dass ich mich mit Musik, zu der man gut einschlafen, oder zumindest entspannen und damit seine manchmal ziemlich gruselige Umwelt ausblenden kann, überhaupt nicht auskenne. Es muss daran liegen, dass ich wohl doch hyperaktiv bin und deshalb entsprechende Musik benötige, zu der man ganz legal herumzappeln darf. Clairette aus der Krachmacherstraße.

Aber jetzt habe ich neulich, ganz old school, eine CD mit einschläfernder Musik geschenkt bekommen. Und plötzlich höre ich nichts anderes mehr als Cosmonaut Grechko und Fleetwood MacNeil Young und Yasmine HamdanBanks und HaBanot Nechama und Night Beds. Liegt es an der Post-Fashion-Week-Trägheit? An der glatteisigen Witterung? Oder werde ich jetzt alt? Melancholisch? Manisch-depressiv? Ganz egal. Hauptsache, die Welt wird mit diesen herrlichen Musikspitzen noch ein bisschen schöner als vorher, egal ob man gerade in einem Nachtbus von Polen nach Norddeutschland oder auf einem Kreuzfahrtschiff im Nil-Delta sitzt. Hier haben wir die erste, die wirklich allererste krachfreie Clairette-Playlist. So schön, dass man besser nicht dabei einschläft.