Neulich lief mir in SoHo ein ungefähr 12-jähriges Mädchen mit kaffeefarbener Haut und zwei gigantischen Haarknödeln auf dem Kopf über den Weg. Sie trug einen pinkfarbenen Hoodie und sah mit den zwei Hörnern auf dem Haupt Disneys Minnie Mouse überraschend ähnlich. „Would you like to try a sample of banana bread?“ fragte Minnie geradewegs heraus und hielt mir sogleich auffordernd einen Pappteller mit undefinierbaren braunen Brocken unter die Nase. „Of course!“ sagte ich und bediente mich freudig, denn erstens ist free food in dieser sauteuren Stadt immer gerne willkommen, und zweitens habe ich mich längst an die Tatsache gewöhnt, dass einem in New York ständig überraschende Dinge passieren, denen man am besten mit selbstverständlicher Heiterkeit begegnet. Minnie sah nicht aus, als wollte sie mich vergiften.
Ach, New York. Keine Stadt wie diese, in der kein Tag dem anderen gleicht. Alle 24 Stunden geschieht hier irgendwas Brillantes, Lustiges, Verwegenes: in der U-Bahnstation sitzt ein Mann im bis zur Hüfte heruntergezogenen Taucheranzug, der mexikanische Kioskbesitzer, bei dem ich mir morgens den täglichen Kaffee hole, begrüßt mich breit lächelnd mit „Hey beautiful“, auf dem Washington Square laufe ich neben einem Studenten her, der inbrünstig eine Mozart-Arie vor sich hinträllert, in der Subway turnen drei farbige Jungs zu dröhnenden Hip-Hop-Beats an den Haltestangen, bei Morgenstern’s Finest Icecream erinnert sich der Eismann mit Papierhütchen auf dem Kopf an meinen Namen – „Claire, right? How is it going? Apricot Sorbet, again?“ – in einer ehemaligen Garage in Bushwick verspeise ich das beste Sushi, das den Distrikt in Brooklyn zu Recht zum neuen Hotspot der Stadt macht; mit zwei Freundinnen spiele ich in der Mercer Street Minigolf auf einer Pop-Up-Ranch von Refinery29, und abends führt meine Laufroute natürlich über die Williamsburg Bridge, wo hunderte anderer Jogger mit federnden Schritten der blinkenden Skyline entgegen rennen, als warte dort hinter den sieben Hochhäusern die große Verheißung, das ewige Glück. Aber New York kennt keinen Horizont, keine Grenzen, man wird nie sagen können, in dieser Stadt alles gesehen und gemacht zu haben, und Routine ist hier sowieso ein exotisches Fremdwort. Erinnert sich noch einer an diesen albernen Film mit den Olsen-Zwillingen – „Ein verrückter Tag in New York“? Also bitte: welcher Tag in New York wäre denn nicht verrückt? Ein verrückter Tag in New York ist ein normaler Tag in New York.
7 Uhr: Fitness vorm Frühstück
Wer weiß, was heute noch so alles passiert! Ob man bis zum Abend schon zu drei Dates eingeladen oder zum Testen eines neuen Restaurants verabredet sein wird? Besser, man geht vor dem Frühstück laufen, dann ist das tägliche Fitnessprogramm schon mal abgehakt. Die überambitionierten Sprinter, die sich in Brooklyn morgens schon auf der Kent Avenue tummeln, motivieren selbst den unausgeschlafensten Morgenmuffel. Touristen ohne Ortskenntnis können auch in einer der 14 New Yorker SoulCycle-Filialen in bombastischer Clubatmosphäre Fahrrad auf der Stelle fahren (habe es ausprobiert! Alle hin da!).
8 Uhr: Koffein-Haushalt auffüllen
Think Coffee heißt die neue Starbucks-Konkurrenz, der Name passt nach New York, wo der coffee to go kein Getränk, sondern eine Lebenseinstellung ist. „This city is too ‚ectic for me! Nobody sits down to ‚ave their coffee,“ beschwerte sich neulich allerdings ein befreundeter Franzose. Wer auf seine tägliche Dosis savoir vivre nicht verzichten will, geht deshalb zu Jack’s Wife Freda, wo man seinen Americano noch im Sitzen trinkt. Dazu: Poached Eggs mit Toast und Halloumi.Ergänzung: In franco-amerikanischer Atmosphäre feine Sachen wie Brioche mit Pesto und gegrillter Tomate frühstücken geht auch im Lafayette Grand Café and Bakery. Die besten Eggs Norwegian gibt es im Sant Ambroeus, Blueberry Buttermilk Pancakes zum Niederknien in Schiller’s Liquor Bar.
9 Uhr: Local spielen
10 Uhr: Einkaufen, what else
11 Uhr: Smoothie-Zeit
12 Uhr: Neue Kunst im Neuen Museum
14 Uhr: Lunch
15 Uhr: Auf grünen Gleisen
16 Uhr: Eiszeit
17 Uhr: Bryant Park
18 Uhr: Williamsburg Bridge
19 Uhr: Wythe Avenue
20 Uhr: Dinnertime
Zurück auf der Lower East Side: ein nordisch inspiriertes 5-Gänge-Menü aus feinsten Rohstoffen kann man im Contra genießen, einem jungen Gourmet-Restaurant auf der Orchard Street. Im Pig & Khao gibt es südostasiatische Küche, zum Beispiel burmesischen Auberginen-Salat oder Kabeljau im Bananenblatt. Auch die Drinks sind zu empfehlen, mein Favorit: „Pigroni“ mit Gin, Campari, Grapefruit und Kardamom.