Reichtum macht Kopfschmerzen – davon weiß ein Lied zu singen, wer in seinem Leben schon mal einen Einkaufsgutschein geschenkt bekommen hat.
Ein Gutschein ist kein guter Schein, sondern ein hinterhältiges Versprechen. Der Gutschein kommt als Geschenk verkleidet daher – plötzlich darf man sich etwas kaufen, ohne dafür Geld ausgeben zu müssen! Man darf es einfach mitnehmen! Geld spielt jetzt also keine Rolle mehr. Für Hedgefondsmanager, Vorstandsvorsitzende und andere Großbürgerinnen und -bürger ist dieser Zustand Alltag. Es wird einfach mitgenommen, was nett und brauchbar aussieht: die Koffergarnitur aus Krokodilleder, die Mahagoni-Pfeffermühle, der Schallplattenspieler, das Ledersofa. Zwischendurch bucht man einen Wochenendausflug nach Mexiko und lässt die Zweitwohnung in New York renovieren. Man hat so viel Geld, dass man gar nicht merkt, wenn man mal 800 Euro hier und 30 000 Euro da davon ausgibt.
So ähnlich fühlt sich der Mensch mit Einkaufsgutschein. Aber Obacht: das Hochgefühl der grenzenlosen finanziellen Sicherheit ist von begrenzter Dauer. Ein Einkaufsgutschein beim Mega-Warenparadies Farfetch klingt zum Beispiel erstmal zauberhaft, entpuppt sich bei näherer Betrachtung aber als Gruß des Teufels. Plötzlich fällt einem hier beim Durchforsten der virtuellen Warenregale eins nach dem anderen ein, was einem in der Vergangenheit, als man noch ohne Einkaufsgutschein (und glücklich, zufrieden und sorglos) war, alles an tollen Dingen im Leben gefehlt hat. Die Handtasche von Dolce & Gabbana. Die dazu passenden Pumps. Der schwarze Blazer von Stella McCartney. Die Brokatjacke von Marques‘ Almeida. Der gezackte Pullover von A.P.C.. Ein Hut von Gigi Burris. Eine gelbe Cargohose von MSGM. Ein Nachthemd von La Perla. Die Vintage-Ohrclips von Chanel. Eine Duftkerze von Byredo. Handseife von Diptyque. Eine Porzellanurne von Fornasetti. Ein goldener Hundeknochen von Kelly Wearstler. Das Backgammon-Spielbrett von L’eclaireur. Eine Weihnachtskugel von Lanvin.
Ich will alles! schreit der Mensch mit Einkaufsgutschein, aber das geht leider nicht, denn ein Einkaufsgutschein ist eben kein Hotelerbinnen-Konto. Aus der Verheißung des Gratis-Reichtums wird blanker Hohn. Mit 300 Euro kommt man viel weniger weit, als man denkt. Es reicht vorne und hinten nicht, die blöde Weihnachtskugel kostet ja allein schon 125 Euro. Und selbst wenn der Einkaufsgutschein 3000 Euro beträgt, oder 30 000 – auch die sind schnell ausgegeben, wenn einem das Hochgefühl grenzenlosen Reichtums erstmal zu Kopf gestiegen ist. Die Qual der Wahl, uraltes Dilemma der Menschheit, macht einfach alles kaputt.
Dagegen hilft nur eins: den Einkaufsgutschein für jemand anderen ausgeben. Freude kann man sich nicht kaufen, aber an jemand anderen verschenken. Der hat nämlich überhaupt nicht damit gerechnet, an einem gewöhnlichen Freitag im Oktober den goldenen Flaschenöffner geschenkt zu bekommen, den er sich schon immer gewünscht hat.