Photo: Maddie on things
Es ist ein Anblick des Grauens: Ein Dinosaurier jagt ein schreiendes Kind. Zwei Pfeile beschriften das Foto: einer zeigt auf das Tier und trägt die Aufschrift „Monday“, der andere auf das Kind, „Me“. „True Story“ steht unter dem Bild. Es ist wieder Montag auf Instagram.
Der erste Tag der Woche beginnt auf der 500-Millionen-Mitglieder-Plattform traditionell mit Bekundungen allgemeinen Unwohlseins. Montag, dieses Raubtier unter den Wochentagen, hält die Instagram-Gemeinde in Atem. Man muss über diesen Tag sprechen, den Grusel des Wochenanfangs gemeinschaftlich verarbeiten. Die Nutzer posten Botschaften wie „If Mondays were shoes, they’d be crocs“ und „You can do it. – Coffee“. Es gibt Zeichnungen von unter gigantischen Kaffeebechern begrabenen Frauen und Bilder von verschreckt unterm Sofa lauernden Haustieren. „Me on Mondays“ steht darunter. Der Montag als nervenaufreibende Herausforderung, nur mit Koffein und Motivationsweisheiten zu bewältigen („I woke up this morning and realized I don’t have what it takes to sit back and be average“), ist auf Instagram zu einer Pflichtveranstaltung geworden. Warum eigentlich?
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Glaubt man Instagram, besteht die Woche aus nur zwei relevanten Ereignissen – Montag, dem Tag des kollektiven Selbstmitleids, und Freitag. Denn so leidenschaftlich wie der Montag gehasst wird, so euphorisch wird der Freitag mit an Hysterie grenzenden Begeisterungsstürmen willkommen geheißen. Erfolgreich hat man sich durch die Arbeitswoche, diesen schwarzen Tunnel, gequält, und darf jetzt endlich wieder Bilder von alkoholischen Getränken und fettigem Essen („Thank god it’s Friday“),Videos von breakdancenden Großmüttern mit der Unterschrift „Me on Fridays“ und „Friyay“-Schriftzüge in diversen typographischen Variationen posten. Der Hashtag #Friyay zählt auf Instagram aktuell 999 925 Beiträge. Muss ja eine schreckliche Woche gewesen sein.
Eigentlich hat man ja immer den Eindruck, dass es sich bei Leuten, die Instagram nutzen, um heitere Optimisten handelt. Leuten auf Instagram scheint es immer besser zu gehen als Leuten ohne Instagram (von denen hört man halt auch nicht viel). Sie reisen gerne, sie ernähren sich gesund, sie wissen, wie man Eier pochiert, sie haben viele Freunde, treiben Sport und sind wahnsinnig belesen. Es erscheint unvorstellbar, dass solche Leute nur für den Freitag leben. Müssten nicht ausgerechnet sie an jedem Tag der Woche voller Glücksgefühle aus den Federn springen? Wären nicht gerade sie die idealen Kandidaten, das träge Volk zum Umdenken zu motivieren („Endlich Montag!“)?
Instagram bietet großartige Unterhaltung. Es ist ein Guckloch in den Alltag von Menschen aus aller Welt, eine riesige Vitrine voll reizender Momente und Entdeckungen. Warum postet man dort Ansichten von Kaffeetassen, wo die Welt doch aus so viel spannenderen Dingen besteht? Auf Instagram wollen alle herausstechen und gesehen werden. Dabei ist nichts weniger originell, als sich über Montage auszulassen und Freitage toll zu finden. Droht etwa der Ausschluss aus der Gesellschaft, wenn man sich der Tradition der Wochenend-Euphorie widersetzt? Ist ein Montag, der nicht gehasst, und ein Freitag, der nicht gefeiert wurde, ein Verbrechen gegen die Solidarität? Wohl kaum. Aber tatsächlich scheint es sich bei Instagram um eine Maschine zu handeln, die bestimmte Meinungen und Launen nur lange genug reproduzieren muss, bis daraus automatisierte Angewohnheiten geworden sind, an die man sich hält, weil es alle so machen. Hat man an einem Montag nur oft genug ein von einem Dinosaurier namens „Montag“ gejagtes Kind gesehen, fängt man bald selbst an zu glauben, der Montag sein ein Raubtier – und dessen kollektive Bekämpfung ein nicht zu versäumendes Happening.
Auch der Kaffee mit Milchschaum verfiel diesem Instagram-Automatismus: Tranken frühere Generationen ihren Kaffee noch heiß, besteht heute der Zwang, das Getränk erst aus sämtlichen Perspektiven abzufotografieren, bevor man es zu sich nehmen darf. Ich war da, mit Kaffee. Ich habe gejammert, als Montag war. Ich habe gejubelt, als der Freitag kam. Die Annahme, dass auf Instagram alle auffallen wollen, ist falsch. Das Gegenteil ist der Fall: Auf Instagram ist dabei sein alles.