Da habe ich monatelang, in nahezu jeder Musikrubrik dieses Blogs, jede einzelne Neuveröffentlichung von Disclosure gepriesen, dem Leser ward längst langweilig, während ich noch begeistert zu „What’s in your head“ und „Latch“ mitsummte und hüpfte; ich wurde sozusagen die ehrenamtliche PR-Frau des mittlerweile weltberühmten DJ-Duos aus UK, kannte jede Zeile, jeden Bass, jeden Auf- und Abschwung in den eingängigen und doch so einzigartigen Melodien. Die Konzertkarte für den Disclosure-Auftritt im Übel & Gefährlich legte ich mir bereits im Januar zu, klarer Fall, es sollte die Veranstaltung des Jahres werden.
Und dann: kommen diese beiden Jungs auf die Bühne, die Masse tanzt, der Boden bebt, die Meute schwitzt, die Arme kreisen, die Beine zappeln. Zu „Boiling“ geht die Sonne auf, ich stehe im strahlenden Licht umgeben von strahlenden Menschen, die träumerisch in den zuckenden Scheinwerfern taumeln. 58 Minuten lang, dann ist der Zauber vorbei. In der Kürze liegt die Würze, oder wie? Am liebsten hätte ich geheult, nicht mal eine Stunde, das soll wohl ein Scherz sein!
Andererseits soll man ja aufhören, wenn’s am schönsten ist. Möglicherweise durften die so jugendlich aussehenden Herren auch gar nicht länger auf sein und hatten eben, wie alle braven Minderjährigen, um 24 Uhr im Bett zu liegen. Oder es wurde ihnen mit all den gut aussehenden, verschwitzten Hamburgern in einem Raum irgendwie zu heiß und stickig, ich weiß es nicht, jedenfalls höre ich, aus reiner Desillusionierung, jetzt erst mal auf, über Disclosure zu berichten. Zumindest in der heutigen Musikrubrik. Gibt ja sowieso auch noch tausend andere gute Sachen, die man sich anhören kann. Auf meinem persönlichen Konzertprogramm steht zum Beispiel als Nächstes Nina Kraviz‘ Auftritt im Berghain an, der ich ein wenig mehr Ausdauer als den Disclosure-Waschlappen zutraue.
Chance the Rapper heißt tatsächlich Chance, kommt aus Chicago, ist so alt wie ich und außerdem so cool, dass es wehtut. Das Good Ass Intro ist mit schwungvollem Gute-Laune-Rap ein verlockender Vorgeschmack auf sein Album Acid Rap, das in diesem Monat herauskommt. Hört man am besten in voller Lautstärke im Auto, mit heruntergekurbeltem Fenster, viel Goldschmuck am Hals und einem breiten Lächeln auf den Lippen.